Zusammenfassung


Europa sieht sich heute mit drei zusammenhängenden Krisen konfrontiert — wobei alle drei von ihr selbst verursacht wurden. Die erste ist eine Wirtschaftskrise mit ansteigender Armut, Unsicherheit und Obdachlosigkeit auf dem gesamten Kontinent. Die zweite ist eine Klima- und Umweltkrise, mit drastischen Folgen in exponierten Gegenden und europäischen Frontgemeinschaften. Die dritte ist eine Krise der Demokratie. Auf dem gesamten Kontinent sind die Menschen vom Ort der politischen Entscheidungsfindung getrennt — dies nicht nur in Brüssel, sondern auch in den lokalen Gemeinden.

Diese Krisen, eng miteinander verbunden, sind das Ergebnis der politischen Entscheidungen Europas. Die Förderung des Rohstoffwachstums hat den Zusammenbruch der Umwelt beschleunigt, während die Fokussierung auf Haushaltseinsparungen — jenseits aller demokratischen Bedürfnisse — unsere Fähigkeit darauf zu reagieren eingeschränkt hat.

Ein radikal neuer Ansatz ist notwendig, um diesen destruktiven Trend umzukehren — und um Umweltgerechtigkeit in Europa und der Welt zu erreichen.

Wir nennen diesen Ansatz den Green New Deal für Europa, und der folgende Bericht ist ein umfassendes Paket politischer Maßnahmen, das den Weg hin zu einem gerechten sozial-ökologischen Wandel Europas aufzeigt.

Die Roadmap des Green New Deal für Europa sieht drei verschiedene Institutionen vor.

  • Grüne Öffentliche Investitionen (GIN) ist ein historisches Investitionsprogramm, das den gerechten Wandel in Europa unmittelbar in Gang setzt.
  • Die Umweltunion (UmU) ist ein Paket von Verordnungen zur Anpassung der EU-Politik an den wissenschaftlichen Konsens, in dem die Grundsätze von Nachhaltigkeit und Solidarität im europäischen Recht verankert sind.
  • Und die Kommission für Umweltgerechtigkeit (KfU) ist ein unabhängiges Gremium zur Erforschung, Überwachung und Beratung von EU-Politiker*innen, um die Belange der Umweltgerechtigkeit voranzubringen.

Aber es reicht nicht aus, neue Maßnahmen vorzuschlagen und darauf zu warten, dass die europäischen Staats- und Regierungschefs diesen Beachtung schenken.

Deshalb stellt diese Roadmap auch Wege zu einem Green New Deal für Europa vor, um zu zeigen, wie Bürger*innen, Gemeinden und Basisorganisationen sich mobilisieren können, um diese Vision in die Tat umzusetzen.

Grüne Öffentliche Investitionen


Grüne Öffentliche Investitionen (GIN) ist der Name eines Investitionsprogramms, das den Wandel in Europa vorantreiben wird. Es verbindet wirtschaftliche Ziele mit einer Vision von Umweltgerechtigkeit: Dekarbonisierung der europäischen Wirtschaft, Umkehrung des Verlusts der biologischen Vielfalt und Gewährleistung menschenwürdiger Arbeitsplätze auf dem gesamten Kontinent.

GIN wird vollständig durch grüne Anleihen der Europäischen Investitionsbank (EIB) finanziert. Diese Anleihen ermöglichen es der EIB, beträchtliche Geldbeträge aufzubringen, ohne die Haushaltsvorschriften der EU zu verletzen. Mit Unterstützung der Europäischen Zentralbank sind die Anleihen eine sichere Investition für die angeschlagenen Spar- und Pensionsfonds Europas. Gleichzeitig werden ungenutzte Gelder in Teile des Kontinents geleitet, die unter Arbeitslosigkeit, Armut, Klima- und Umweltschäden leiden.

Die Koordinationsmaßnahmen von GIN zielen darauf ab, Kommunen zu stärken und die Vernetzung zwischen ihnen zu fördern. Investitionsentscheidungen werden auf nachgeordnete europäische Behörden übertragen, wo Bürger*innen aktiv mitwirken. Gleichzeitig schafft ein Green Solidarity Network Strukturen für die horizontale Zusammenarbeit zwischen Städten, Regionen und ländlichen Gemeinden Europas, die es ihnen ermöglichen, bewährte Verfahren für den grünen Wandel auszutauschen und Verwaltungskapazitäten auszubauen.

Die Investitionen von GIN zielen darauf ab, die europäische Wirtschaft neu auszurichten: weg von der rein privaten Vermögensanhäufung und hin zur ökologischen Nachhaltigkeit. Integrierte Wohn-, Versorgungs- und Mobilitätsstrategien werden für eine massive Verringerung des Energiebedarfs sorgen und gleichzeitig die nachbarschaftlichen Beziehungen Europas verbessern. Die 38 Millionen leerstehenden Wohnungen Europas werden herangezogen, um Obdachlosigkeit und Wohnungsnot zu beseitigen. Ein umfassendes Nachrüstprogramm wird sicherstellen, dass Europas Wohnraum besser isoliert und damit wirkungsvoller vor extremer Hitze und Kälte geschützt wird. Das wird die Widerstandskraft der Gemeinden erhöhen und Energiearmut beseitigen. Ein gesamteuropäischer Mobilitätsfonds wird sicherstellen, dass jede Region Europas Zugang zu agilen, sauberen und kostengünstigen Verkehrsträgern hat.

Aber GIN ist mehr als nur ein Investitionsprogramm. Es ist auch ein Versprechen, die Demokratie wiederzubeleben, indem Arbeitnehmer*innen und ihre Institutionen gestärkt werden. GIN wird in Genossenschaften investieren, die traditionell unter mangelndem Zugang zu privaten Finanzmitteln leiden, und die europäische Industriestrategie auf Nachhaltigkeit, Demokratie und Gerechtigkeit neu ausrichten.

GIN-Mittel werden an jene private Unternehmen vergeben, die die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Ziele Europas voranbringen. Unternehmen, die ihre Fertigung auf Recycling, Reparaturfreundlichkeit und lange Lebenszyklen ihrer Produkte ausrichten sowie die Arbeitszeiten tendenziell verkürzen, erhalten Mittel für die Übergangsphase. Außerdem erhalten jene Unternehmen Gelder, die Arbeitnehmer*innen in Vorstände entsenden und einen Teil ihrer Gewinne in Fonds an legen, der Arbeitnehmer*innen Dividenden zahlt und auf diese Weise zusätzliche Ressourcen für einen sozial gerechten Wandel schafft.

Unternehmen, die sich bei der Umsetzung des Green New Deals für die hohen Standards Europas in Bezug auf Nachhaltigkeit, Demokratie und soziale Gerechtigkeit hervorgetan haben, erhalten einen Europa-Preis, der den Erhalt weiterer Finanzmittel vorsieht.

Schließlich wird GIN die ländlichen Regionen Europas stärken. Die weitaus meisten europäischen Subventionen gehen derzeit an multinationale Agrarkonzerne, mit verheerenden sozialen und ökologischen Folgen sowohl in Europa als auch im Ausland. GIN wird diese Mittel zur Unterstützung regenerativer Methoden in der Land-, Fischerei- und Forstwirtschaft umleiten und sicherstellen, dass die ländlichen Regionen Europas zum Motor unserer ökologischen Erholung werden.

Umweltunion


Die Umweltunion (UmU) setzt das Versprechen des Green New Deals für Europa auf einen Systemwandel um. Es bietet ein robustes und umfassendes Regulierungspaket, um die europäische Politik auf der Basis des wissenschaftlichen Konsenses hinsichtlich der Klima- und Umweltkatastrophe neu auszurichten, so dass Europa beim grünen Wandel weltweit eine Führungsrolle übernimmt.

Die UmU umfasst drei große Bereiche: die Gesetzgebung für (a) Notfälle, (b) Nachhaltigkeit und (c) Solidarität.

Die UmU geht davon aus, dass europäische Politiker*innen die eingetretene Krise weiterhin ignorieren werden. Sie fordert daher eine förmliche Erklärung des Klima- und Umweltnotstands sowie neuer Zielprojektionen, im Zuge derer alle bestehenden und künftigen europäischen Gesetze auf Nachhaltigkeit überprüft werden.

Die UmU-Gesetzgebung setzt sich für Nachhaltigkeit ein, indem sie in Europa und über die Lieferketten auch außerhalb Europas umweltschädliche Produktionsprozesse von Unternehmen unterbindet. Die UmU wird die europäischen Aufsichtsvorschriften dahingehend ändern, dass Investitionen in fossile Brennstoffe sanktioniert, Fortschritte der Technischen Sachverständigengruppe für nachhaltige Finanzierungen beschleunigt und die Regulierungsaufsicht über multinationale Banken, die im globalen Süden tätig sind, gestärkt werden.

Im Rahmen ihres nachhaltigen Gesetzgebungsmandats fordert die UmU auch eine grundlegende Änderung der EU-Energiepolitik. Sie schafft den Rechtsrahmen des „Energiebinnenmarktes“ ab, um eine Rekommunalisierung der Energieinfrastruktur zu ermöglichen. Sämtliche Subventionen für fossile Energieträger, sowohl direkte als auch indirekte, werden ersatzlos gestrichen. Die UmU beschließt ein neues Gebühren- und Dividendensystem, um sicherzustellen, dass alle Emissionsbereiche angemessen besteuert werden, wobei die Einnahmen den europäischen Bürger*innen zufließen.

UmU-Gesetze zielen auf Solidarität. Seit Jahrzehnten fördert die EU mit der Ausrede der Wettbewerbsfähigkeit die Deregulierung und Ressourcenverschwendung. Die UmU ersetzt das Prinzip des Wettbewerbs durch Solidarität und stellt die Interessen von Arbeitnehmer*innen, Gemeinden und der Umwelt in den Vordergrund.

Gesetzgebung für Solidarität erfordert auch einen radikalen Wandel in der europäischen Agrarpolitik, die derzeit Industriebetriebe subventioniert und so die globalen Märkte überschwemmt. Stattdessen verfolgt die UmU eine gemeinsame EU-Lebensmittelpolitik. Sie gibt einen Rahmen vor, der die verschiedenen regionalen Prioritäten und deren Auswirkungen auf die Ernährungssysteme neu ausrichtet, einander widersprechenden politischen Zielen und ihren versteckten Kosten ein Ende setzt und den Agrarsektor in den Dienst einer nachhaltigen Entwicklung stellt.

Der internationale Handel steht im Mittelpunkt einer solidarischen Gesetzgebung. Die UmU zielt darauf ab, die Handelsbeziehungen Europas so zu gestalten, dass sie Solidarität stärken und nicht schwächen. Dazu gehören die Abschaffung der Schiedsgerichte zur Investor-Staat-Streitbeilegung, die Integration von Nachhaltigkeitsstandards in die Regelungen der Welthandelsorganisation (WTO), die Erleichterung von Technologietransfers und die Unterstützung eines globalen grünen Wandels.

Das Solidaritätsprinzip gilt ebenso für die europäische Entwicklungspolitik, die im Rahmen der internationalen Hilfe häufig Projekte mit fossilen Energieträgern finanziert. Die umweltfreundliche Entwicklungspolitik der UmU richtet die internationalen Entwicklungsprioritäten der EU neu aus und verstärkt ihr Engagement für multilaterale Finanzierungsmechanismen wie den “Green Climate Fund”.

Schließlich verankert die UmU die Achtung der Natur im Gesetz, indem sie Sanktionen für Umweltverschmutzer vorsieht und den “Ökozid” offiziell als strafbare Handlung anerkennt. Die Einführung dieser neuen Regeln durch die EU könnte als Modell für eine weltweite Anerkennung des “Ökozids” als Verbrechen gegen die Menschlichkeit dienen.

KOMMISSION FÜR UMWELTGERECHTIGKEIT


Die Kommission für Umweltgerechtigkeit (KfU) ist das oberste internationale Gremium, das dafür sorgt, dass der grüne Wandel gerecht verläuft.

Die Struktur der KfU zielt darauf ab, Legitimität, Demokratie und Autorität zu gewährleisten. Dazu gehören (a) die von den einzelnen EU-Mitgliedstaaten gewählten Vorsitzenden, (b) eine Kommission mit möglichst divers besetzten Vertretungen innerhalb und außerhalb Europas, (c) eine Unterkommission, die die Prioritäten der Kommission umsetzt, und (d) Bürger*innenversammlungen, die dafür sorgen, dass die Beteiligung der Öffentlichkeit im Fokus der KfU- Maßnahmen steht.

Die KfU besitzt weitgehende Befugnisse, um neue internationale Regeln für die Untersuchung und Meldung von Umweltvergehen festzulegen, hat jedoch nur beratende Funktion. Sie unterstützt Institutionen wie die Europäische Kommission und die Vereinten Nationen. Ihre vornehmliche Aufgabe besteht darin, Daten über die Folgen des Klimawandels zu sammeln, neue Indikatoren für ihre Bewertung zu entwickeln, die Umsetzung der europäischen Klimapolitik zu überwachen sowie die EU und andere internationale Institutionen bei ihrer Politik zu beraten.

Die Arbeit der KfU gliedert sich in drei Bereiche der Umweltgerechtigkeit: (a) internationale Gerechtigkeit, (b) intersektionelle Gerechtigkeit und (c) generationelle Gerechtigkeit.

Die Klimakrise ist global, doch ihre Auswirkungen sind nicht gleichmäßig verteilt. Die ärmeren Länder tragen am wenigsten dazu bei, zahlen aber den höchsten Preis. Der Bereich Internationale Gerechtigkeit der KfU zielt darauf ab, den Zusammenhang zwischen EU-Politik und ungleich verteilter Umweltzerstörung zu bewerten sowie zu überwachen, inwieweit die EU die historisch gewachsene Ungerechtigkeit zwischen Ländern fortführt. Außerdem wird sie eine Plattform schaffen, wo sich besonders betroffene Gruppen an der Entwicklung neuer Verordnungen beteiligen können.

Die KfU wird in mehreren Schlüsselbereichen Kriterien für internationale Gerechtigkeit entwickeln und anwenden, etwa für den Bereich der Migration. Hier will die KfU die erste umfassende Datenbank über Umweltmigration schaffen und die EU-Behörden bei der formalen Anerkennung von Klimaflüchtlingen und ihrem Recht auf Asyl beraten. Auch auf multinationale Konzerne sollen Kriterien für internationale Gerechtigkeit angewandt werden. So wird die KfU EU-Institutionen hinsichtlich der Anwendung des “UN-Vertrags über transnationale Unternehmen und Menschenrechte” beraten und mit ihnen darüber diskutieren, ob ähnliche Verordnungen auch auf europäischer Ebene eingeführt werden können.

Der Klimawandel verschärft Ungleichheit nicht nur zwischen den Ländern, sondern auch innerhalb der Länder. Wie das IPPC feststellt, “sind Menschen, die sozial, wirtschaftlich, kulturell, politisch, institutionell oder anderweitig benachteiligt sind, besonders stark von den Folgen des Klimawandels betroffen.” Mit diesen Ungleichheiten beschäftigt sich der intersektionelle Bereich der KfU.

Dessen Arbeit erstreckt sich unter anderem die Bereiche auf Gesundheit, Arbeit, Bildung und Mobilität. In jedem davon identifiziert die KfU Hindernisse für gerechte Verteilung, Anerkennung und Partizipation. Sie berät EU-Behörden, wie diese Hindernisse bestmöglich beseitigt werden können. Damit soll sichergestellt werden, dass alle Europäer*innen am grünen Wandel teilhaben.

Die Folgen des Klimawandels sind nachhaltig und führen zu Ungleichheiten, die über Generationen fortbestehen können. Die KfU wird sich mit diesen generationenübergreifenden Folgen befassen. Sie wird sich sich sowohl mit den kolonialen Verbrechen der Vergangenheit auseinandersetzen als auch den Weg dafür ebnen, dass zukünftige Generationen wieder auf einem gesunden Planeten leben. Denn die Präsidentin der UN-Generalversammlung, María Espinosa, hatte Recht, als sie sagte: “Klimagerechtigkeit ist Generationengerechtigkeit.”

Die KfU wird untersuchen, wie Europa seiner Verantwortung für seine historische Rolle bei der Ausbeutung von Bodenschätzen im globalen Süden nachkommen kann — insbesondere, indem sie das bestehende Instrumentarium der EU zur Opferentschädigung bei Klimaschäden erweitert. Diese Erweiterungen sollen Klima- und Umweltfonds beinhalten, aus denen Geldmittel und andere Ressourcen an die von jahrhundertelanger Kolonialherrschaft und exzessiver Umweltverschmutzung besonders betroffenen Gruppen und Gemeinden ausgegeben werden.

Schließlich wird die KfU prüfen, wie Europa zukünftigen Generationen gerecht werden kann, die diesen Planeten erben werden. Insbesondere wird die KfU die europäische Wirtschafts- und Umweltpolitik und ihre möglichen Auswirkungen auf künftige Generationen bewerten. Die KfU wird die explizite Verankerung eines Rechtsanspruchs für zukünftige Generationen auf angemessene Umweltpolitik in Betracht ziehen. Und sie wird Vorschläge dazu machen, wie bei Investitionsentscheidungen die Benachteiligung künftiger Generationen gegen null gehen kann.